Tor zu den Mitochondrien visualisiert

Forschende am Max-Planck-Institut für Biophysik haben mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie (cryoEM) die hochaufgelöste Struktur der zentralen Eintrittspforte in die Mitochondrien bestimmt.

21. Juli 2025

Mitochondrien sind essenzielle Organellen in eukaryotischen Zellen, müssen jedoch Proteine aus dem Zytoplasma importieren, um funktionsfähig zu sein. Im Zentrum dieses Prozesses fungiert der TOM-Komplex sowohl als Selektionsfilter als auch als Kanal, der es ungefalteten mitochondrialen Proteinen ermöglicht, ihr Ziel innerhalb der Organelle zu erreichen.

Proteine sind die wichtigsten Arbeitsmaschinen der Zellen und übernehmen nahezu alle essenziellen Funktionen. Die meisten werden von Ribosomen im Zytoplasma produziert und gelangen anschließend zu anderen zellulären Zielen, darunter die Mitochondrien – die Kraftwerke der Zelle, die die notwendige Energie bereitstellen. Der Transport von Proteinen in die Mitochondrien hängt jedoch von einem hochentwickelten Importsystem ab, das sie empfängt, filtert und sortiert. Nun haben Forschende am Max-Planck-Institut für Biophysik eine hochauflösende Struktur des Haupteingangs in die Mitochondrien entschlüsselt: die Translokase der äußeren Mitochondrienmembran, besser bekannt als TOM-Komplex.

Mithilfe der Elektronen-Kryomikroskopie (cryoEM) haben die Postdoktorand*innen Noor Agip und Pamela Ornelas aus der Abteilung für Strukturbiologie in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Melanie McDowell die Struktur des TOM-Komplexes bis ins bemerkenswerte Detail entschlüsselt. Ihre neue Veröffentlichung in der Fachzeitschrift PNAS zeigt eingehende Proteine, die während des Transports erfasst wurden, während sie mit verschiedenen Komponenten des TOM-Komplexes interagieren.

Die molekulare Einlasskontrolle

Mitochondrien sind etwas Besonderes. Sie besitzen ihre eigene DNA und Ribosomen, die in ihrem innersten Kompartiment, der Matrix, gespeichert sind. Dennoch ist ihr begrenzter „Maschinenpark“ nur in der Lage, etwa 1 % der Proteine selbst herzustellen, die sie für ihre Funktion benötigen. Daher sind sie auf Proteine angewiesen, die im Zytosol synthetisiert werden – und genau hier kommt der TOM-Komplex ins Spiel. TOM fungiert als Haupteingangstor, das die ankommenden Proteine nach mitochondrialen Zugangscodes scannt und ihren Import erleichtert.

Der TOM-Komplex besteht aus zwei fassförmigen Kanälen, die die äußere Mitochondrienmembran durchspannen, sowie aus sechs unterstützenden helikalen Untereinheiten. Unter diesen ist Tom20 ein Rezeptor, der spezifische eingehende Proteine erkennt. Bisher erschwerte seine intrinsische Flexibilität eine hochauflösende Visualisierung mittels Mikroskopietechniken. Agip und Ornelas et al. nutzten jedoch Chaetomium thermophilum, einen Pilz, der hohe Temperaturen verträgt, um Tom20 in Aktion einzufangen. Diese Temperaturtoleranz sorgt dafür, dass C. thermophilum auch unter widrigen Bedingungen stabil bleibt, wodurch seine Proteine robuster sind und sich für hochauflösende Strukturanalysen besonders eignen.

Sie fanden zwei Kopien von Tom20, die über dem TOM-Kanal schweben, gleich zweier Hände, die sich von den Seiten des Komplexes zueinander zu einem Handschlag ausstrecken. Sie beobachteten die Tom20-Rezeptordomäne in mehreren Konformationen, was darauf hindeutet, dass sie flexibel ist und ihre Position während des Importprozesses verändert. Zusätzlich entdeckten sie Proteine, die sich mitten im Import befinden, während sie mit Tom20 interagieren und den Translokationskanal betreten, und lieferten so eine Momentaufnahme des TOM-Komplexes in Aktion.

Fortschritte in der Mitochondrienforschung

Diese Arbeit setzt eine lange Reihe von Studien zum TOM-Komplex am Max-Planck-Institut für Biophysik fort. Die Abteilung für Strukturbiologie unter der Leitung von Direktor Werner Kühlbrandt steht an der Spitze der Forschung zu TOM und Mitochondrien und hat die Strukturen des Komplexes aus vier verschiedenen Spezies aufgeklärt: S. cerevisiae, N. crassa, D. melanogaster und nun C. thermophilum, wodurch ein umfassendes Bild des mitochondrialen Proteinimports entsteht.

Das Verständnis der Rolle des TOM-Komplexes als Eingangstor in die Mitochondrien ist von grundlegender Bedeutung für die Gesundheitsforschung. Fehlfunktionierende Importporen werden mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer in Verbindung gebracht. Fehlende TOM-Komponenten stehen im Zusammenhang mit angeborenen Störungen. Gemeinsam mit seinen Interaktionspartnern ist TOM außerdem an der mitochondrialen Qualitätskontrolle und am Alterungsprozess beteiligt, wobei Fehlfunktionen zu schweren Erkrankungen führen. Die detaillierte Kenntnis der dreidimensionalen Strukturen dieser beeindruckenden Maschinen wird künftig dabei helfen, solche bisher unheilbaren Erkrankungen zu bekämpfen.

 

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